SPÖ-Kanzleramtsminister Thomas Drozda über die Zusammenarbeit mit der ÖVP, den Systemwechsel bei der Presseförderung, das Kreuz in den Klassenzimmern und eine Umbenennung des Heldenplatzes in Platz der Republik.
Können Sie sich vorstellen, nach der nächsten Nationalratswahl wiederum eine Koalition mit der ÖVP einzugehen?
Thomas Drozda: Ja, absolut.
Trotz der Dauerdifferenzen?
Koalitionen sind immer mit dem Ausgleich von Interessen verbunden. Ich habe zu allen – den ÖVP-Mitgliedern in der Regierung, dem Klubobmann – eine funktionierende Gesprächsbasis. Und es kann nicht der Sinn sein, 18 Monate vor Ende der Legislaturperiode in aufrechter Koalition den aktuellen Partner für das nächste Mal auszuschließen. Und wenn man wie vor zwei Wochen fünf Tage und Nächte fast rund um die Uhr zusammensitzt, dann bringt das auch im Persönlichen eine Verbesserung der Gesprächsbasis.
Gibt es aus Ihrer Sicht eine ÖVP oder zwei?
Es gibt schon Zentrifugalkräfte. Das ist aber schon traditionell so bei der ÖVP – mit den Bünden, den Ländern. Da gibt es eben einen komplexen innerparteilichen Interessenausgleich.
Es gibt in der ÖVP wie in der SPÖ zwei Fraktionen: Die einen hätten nichts gegen Neuwahlen, die anderen wollen durchregieren.
Ich weiß nicht, ob das so einfach ist. Es gibt zu unterschiedlichen Fragen eben unterschiedliche Einschätzungen. Fakt ist: Wir haben jetzt ein Programm für die nächsten 18 Monate. Und es ist ein toughes Programm.
Wie sehr nervt Sie Wolfgang Sobotka?
Als Verfassungsminister habe ich immer wieder mit ihm zu tun. Das ist stets eine Diskussion auf Augenhöhe. Ich bin aber der Meinung, dass es in vielen Fragen sinnvoll ist, erst den Dialog zu suchen statt die erste Kamera.
Wird es Nachjustierungen beim Demonstrationsrecht geben?
Ich habe mich ja – und bin dafür auch kritisiert worden – beim Erstvorschlag des Innenministers, der über die Medien ventiliert wurde, zurückgehalten. Weil ich fand, dass es ein Gebot der Höflichkeit und Professionalität ist, dass man erst einmal die Vorschläge prüft. Ich glaube, es wäre die bessere Vorgangsweise vonseiten des Kollegen gewesen, das Gespräch mit uns zu suchen und nicht über die Öffentlichkeit Druck aufzubauen. Aber sei's drum. Ich bin da eines Sinnes mit dem Vizekanzler: Für mich ist das Thema aufgrund der klaren Verfassungswidrigkeit abgeschlossen. Aber es ist dem Kollegen Sobotka natürlich unbenommen, die Diskussion auf Ebene der Experten fortzuführen.
Aber wenn es da dann sinnvolle Vorschläge geben sollte . . .
Die Vorschläge, die jetzt unterbreitet wurden, sind nicht sinnvoll. Und ich sehe auch nicht die Notwendigkeit, Dinge im Gesetz zu regeln, bei denen es ohnehin jetzt schon einen Spielraum für die Behörden gibt.
Wie sehen Sie die geplante Arbeitszeitflexibilisierung vor dem Hintergrund mangelnder Kinderbetreuungsplätze?
Das eine bedingt das andere. Es ist aber so, dass wir zu beiden Fragen Festlegungen auch im Regierungsübereinkommen getroffen haben. Bei der Arbeitszeitflexibilisierung sollen die Sozialpartner bis Ende Juni Vorschläge machen. Bei der Kinderbetreuung ist das zweite Kindergartenjahr fix verabredet und auch eine Finanzierung festgeschrieben. Man wird sich bei der Arbeitszeitflexibilisierung auf ein Modell verständigen müssen, das für beide Seiten funktioniert. Das Modell „Elf Stunden Nachtruhe sind genug an Regelung“ halte ich für verfehlt und kontraproduktiv.
Eine weitere Debatte nach dem Regierungs-Update war die über das „Neutralitätsgebot“. Soll das Kreuz im Klassenzimmer bleiben?
Ich habe das letzte Klassenzimmer mutmaßlich 1985 verlassen. Es gab dort schlichte Holzkreuze. Ich habe mich daran nie gestoßen und tue es auch heute nicht.
Das heißt, es soll bleiben.
Es ist völlig in Ordnung, so wie es ist.
Die neue Presseförderung, für die Sie als Medienminister verantwortlich sind, soll nun auch auf auflagenstarke Gratis- und Boulevardmedien ausgedehnt werden, die ohnehin schon viele Inserate der öffentlichen Hand bekommen. Warum?
Da muss ich etwas ausholen, um die Grundüberlegungen des neuen Systems darzustellen. Die eine ist die Plattformneutralität. Wir wollen weg von einer Vertriebsförderung hin zu einer Förderung von journalistischen Arbeitsplätzen, die gewissen Kriterien genügen und bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Es sollen Online- und Printmedien gefördert werden.
Dem Vernehmen nach soll nicht mehr die kollektivvertragliche Anstellung das entscheidende Kriterium für die Definition eines solchen Arbeitsplatzes sein, sondern die Sozialversicherung. Stimmt das?
Es sollen sozialversicherungsrechtlich adäquate Dienstverhältnisse sein. So sieht es der nun für die Begutachtung vorbereitete Entwurf vor. Nur – die Grunddebatte ist die: Wenn Sie journalistische Arbeitsplätze fördern, dann müssen Sie im Jahre 2017 zwei Entscheidungen treffen. Die eine ist: Ist der Arbeitsplatz in der Chronikredaktion mehr oder weniger wert als im Feuilleton? Diese Frage haben wir eindeutig beantwortet: Jeder Arbeitsplatz ist gleich viel wert. Das soll mit einer pauschalen Summe abgegolten werden, die sich aus einem Sockel zusammensetzt und aus zusätzlichen Beträgen für redigierte Foren, Redaktionsstatute und die Mitgliedschaft in einem journalistischen Selbstkontrollorgan.
Weswegen „Österreich“ jetzt dem Presserat beitritt.
Möglicherweise hat das den einen oder anderen dazu bewegt, über eine Mitgliedschaft nachzudenken. Die zweite Frage betrifft die Digitalisierung: Wir wollen das plattformunabhängig gestalten – egal, ob digital, Print, mit oder ohne Paywall. Ich werde keinen Unterschied machen zwischen Journalistenarbeitsplätzen, die kostenlosen Onlinecontent und kostenlosen Printcontent erstellen. Wenn das eine gefördert wird, dann auch das andere.
Was bei Ihrem Modell auffällt: Alle bekommen mehr außer „Standard“ und „Presse“.
Das wird man sehen, wenn die gestellten Förderanträge auch genehmigt sind. Jedenfalls ist es ein kompletter Systemwechsel – von der Vertriebsförderung zur Arbeitsplatzförderung. Mit der nun geplanten Verdoppelung der Förderung wurde ein beachtlicher Schritt gesetzt. Der Anknüpfungspunkt ist nun der Journalist, die Journalistin, nicht mehr das Bedrucken von Papier.
Das heißt, es werden auch Medien gefördert, die Journalisten nicht zum Kollektivvertrag anstellen?
Der Vorschlag ist jetzt einmal, auf sozialversicherungspflichtige Dienstverhältnisse abzustellen. Wie sich das dann im Zuge der Begutachtung entwickelt, werden wir sehen.
Ist der Standort für das Haus der Geschichte eigentlich schon endgültig geklärt?
In der Neuen Burg haben wir da eine sehr attraktive Fläche mit 1800 Quadratmetern. Ich finde, da entsteht jetzt ein weiterer zentraler Museumsstandort. Ich würde mich aber auch einem Neubau nicht verschließen. Nur ist das letztlich eine Budgetfrage. Bei der Gelegenheit könnte man auch darüber nachdenken, ob man nicht den Heldenplatz umbenennt – in Platz der Republik oder Platz der Demokratie. Was mir ehrlich gesagt adäquater erschiene als die historisch doch einigermaßen belastete aktuelle Variante.
Aber die Denkmäler dürften bleiben?
Da würde wohl das Bundesdenkmalamt eine klare Position einnehmen.
Wie fanden Sie das, dass die EU-Abgeordneten der SPÖ diese Woche gegen Ceta gestimmt haben?
Also meine Haltung ist eine andere. Ich glaube, dass man prinzipiell nicht gut beraten ist, gegen Freihandel zu sein. Ich verstehe die Kritik am Zustandekommen des Abkommens, am Investorenschutz. Ich glaube aber, dass wir in intensiven Verhandlungen hier die nötigen Vorkehrungen getroffen haben.
Haben Sie ein politisches Vorbild?
Frank-Walter Steinmeier war ein herausragender Kanzleramtsminister. Und ich finde vieles von dem, wie er seine Funktion ausgeübt hat, interessant. Aber es muss jeder seinen eigenen Weg finden.